Dicke Koschuta (Nordanstieg)

Allgemeines    

Der vom Norden auf die Dicke Koschuta (Breite Koschuta, Tolsta Kosuta) führende Normalweg (Drechslersteig) windet sich durch eines der phantastischsten Gebiete der Karawanken – das Zauberreich der Mela. Die Silbe „mel“ bezeichnet einen „sandigen Boden“, eine „Sandbank“ oder „mergelhaltige Erde“. Unglaublich, welchen Formenreichtum die Erosion hier geschaffen hat! Sandsteinvorhänge, Erdpyramiden, glatte Windschliffe, Kuppeln, Rippen, Schuppen, Henkel, Sanduhren, Kanzeln, Türme, Zinnen, Erker, Höhlen und Fenster vor dem Hintergrund düsterer, schwarz, rötlich, gelb und weiß gestreifter Wände. In den USA würde ein derartiges Areal in den Rang eines Nationalmonuments erhoben werden; die unweit des Potoksattels ausgebreitete Mela befindet sich, soviel der Autor weiß, nicht einmal unter Naturschutz.

Anfahrt/Ausgangspunkt

Über Zell-Pfarre, St. Margareten i. R. oder Bad Eisenkappel zum einige Kilometer östlich von Zell-Pfarre an der Landesstraße gelegenen Gasthof Terkl (etwa 850 m). In der Nähe des alten, Generationen von Karawankenwanderern gut bekannten Gasthofes zweigt ein schmales Sträßlein nach Süden ab, hält auf die Koschuta und insbesondere auf die Breite Koschuta zu. Durch Wald bis zu einem Sportplatz, bei dem genügend Parkraum vorhanden ist.

Tour

Einige Minuten auf Güterweg entlang idyllischer Wiesen südwärts. Nach einer Rechtskurve stößt man auf ein Gatter, in dessen Nähe eine Hinweistafel angebracht ist. Auf dem Güterweg kurz weiter in den Wald; eine Wegverzweigung wird erreicht (Mitteilungstafel). Zum Potoksattel nach „links“. Der Weg, später Steig, führt zum kleinen Sattel (1411 m, Kreuzungspunkt mehrerer Wanderruten), ist schön und kaum einmal steil. Empfehlung: Nicht vom ausgezeichnet markierten Weg abweichen; der Autor hat in den der Dicken Koschuta vorgelagerten Wäldern im Sommer 1996 ein äußerst anstrengendes Verirrungsabenteuer zu bestehen gehabt – und dabei einmal mehr die Erkenntnis gewinnen müsse, dass Abkürzungsmanöver wohlüberlegt sein sollten.

Auf dem Sattel blickt man sich nach dem Hinweis „Naturfreundehaus“ um, folgt dem entsprechenden Steig etwa 15 Gehminuten lang, um ihn dann nach „links“ (aber Mitteilungstafel) zu verlassen. Auf schmalem Steiglein durch Mischwald weiter, neue Markierungen beachtend, kurz auf- und abwandernd in die Mela.

Der gewaltige Erosionskessel öffnet sich unversehens. Linker Hand fällt ein riesiges Rinnensystem ab; in Gehrichtung schließen wild gezackte Felsmauern das Panorama ab; „rechts“ zu den Ostwänden der Dicken Koschuta hin, bauen sich die seltsamsten Verwitterungsformen auf. Der Steig führt über eine sandige, bei Nässe oder gar Vereisung gewiss unangenehme Stelle hinweg hinein ins Labyrinth des Breccien- und Konglomeratgesteins. Ein flach ansteigendes, später steil werdenden Kar wird durchmessen, ein Grat erreicht, ein zerfurchter, von „absturzbereiten“ Blöcken gerahmter Kessel ausgegangen. Ein paar Meter Stahlseilversicherungen helfen über brüchige, zwar nicht sehr ausgesetzte, aber doch nicht harmlose Stellen hinweg. Besonders steil und rutschig der Ausstieg aus der Mela; Trittspuren entlang wird der Südostrücken der Dicken Koschuta erreicht und damit der Grenzkamm. Man sollte hier unbedingt eine Rast einhalten und „Rückschau“ halten: Von oben präsentiert die Mela ihre zersplitterten, von Frost und Eis aus Wänden und Halden gesprengten, von Wasser geschliffenen, von weißem Sand geschmirgelten, von Hitze zusammengebackenen und unter Druck verkitten Naturplastiken wesentlich übersichtlicher.

Auf dem Grenzkamm wendet man sich sofort nach „rechts“, bleibt auf der Schneide und zieht, vorläufig am „Ufer“ der Mela bleibend und mehrmals grandiose Tiefblicke in dieselbe auskostend, gipfelwärts. Ein hoher Steinmann wird angesteuert; er trägt den Grenzstein Nummer 31. Der Gipfel ist nun nicht mehr zu verfehlen; ein von Steigspuren unterbrochenes Steiglein führt zu ihm (siehe voranstehendes Kapitel „Dicke Koschuta – 2059 m).

Wer Konditionsreserven besitzt, hat auf der doppelgipfligen Dicken Koschuta Möglichkeiten zu ausufernden Erkundigen. Im Umkreis finden sich verworren ausgesplitterte Felsformationen, und an windgeschützten Stellen signalisiert manch eine leuchtende Alpenblume den unbändigen Überlebenswillen der Natur. Die Sicht zum nahen Koschutnikturm ist nicht genug zu loben; die aus dieser Perspektive dramatisch hervortretenden Abstürze ergeben bei „richtigem“ Lichteinfall eines der großartigsten – und unbekanntesten! – Karawanken-Motive. Für den Abstieg von der Dicken Koschuta mag eine sympathische Variante ins Auge zu fassen sein: Nur schlechtes Wetter oder Müdigkeit sprechen dagegen, einen kleinen Umweg über die Alm Dolga njiva vorzunehmen (siehe vorangehendes Kapitel). Der gesamte Verlauf dieser Variante ist vom Gipfel gut einzusehen.

 

Charakter der Tour

Die Durchschreitung der Mela erfordert absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Abrutschgefahr! Man sollte die Tour nicht im Frühsommer unternehmen, weil zu dieser Jahreszeit in der Mela noch viel Schnee liegen kann und dieser wichtige Markierungspunkte verdeckt. Im Spätsommer und Herbst können Vereisungen für gefährliche Verhältnisse sorgen. Wer den im Juli 1937 eröffneten und nach dem Krieg verfallenen Steig verlässt, begibt sich sofort in unübersichtliches, rauestes Steilgelände. Dem Slowenischen Alpenverein ist es zu danken, dass der vor Jahrzehnten häufiger begangene Mela-Steig (Drechslersteig) in neuerer Zeit tatkräftig Pflege erhalten hat. Reisepass mit auf die Tour nehmen!

Zeiten

 

Sportplatz – Potoksattel: 1 ½ Stunden
Sattel – Mela – Südostrücken: 1 ¼ Stunden
Gipfel Dicke Koschuta: 45 Minuten
Höhenmeter: etwa 1100